Perfekte Krisenkommunikation ist keine Garantie – und dennoch unerlässlich

Wir befinden uns mittlerweile seit über einem Jahr in einer globalen Krise. Doch was bedeutet eine Krise für Unternehmen, welche Ursachen stecken dahinter und welche Folgen kann sie haben? Kann man als Unternehmen in einer Krise überhaupt kommunikativ gewinnen?

Bei unserem interaktiven kommoWorkshop „How to master a crisis?“ hat uns Graylings erfahrene Krisen-Expertin Julia Sturmfels, unterstützt durch Pia Hilbrich und Marianne Reiß, verschiedene Cases vorgestellt. Gemeinsam konnten wir Step-by-Step über die strategische Krisenkommunikation der Unternehmen sprechen und die unterschiedlichen Reaktionsstrategien analysieren.

Was ist eine Krise?

Mit dieser Einstiegsfrage eröffnete Julia Sturmfels am vergangenen Mittwoch den kommo-Workshop „How to master a crisis?“. Unter den Antworten hörte man Sätze, die aus einem Handbuch für Krisenkommunikation hätten stammen können. Interessant war dabei, das kein:e Teilnehmer:in die globale Pandemie als Krise ansprach. So war relativ schnell klar, dass wir als UK-Expert:innen darunter „unvorhergesehene, schnell eintretende Ereignisse“ verstehen, die die Unternehmensreputation gefährden oder gar zerstören können.

Unser hypothetischer Hauptcase:

Es gab in einem italienischen Dorf eine Explosion, die Mitarbeitende eines Chemieunternehmens durch einen Unfall ausgelöst haben. Die dabei ausgetretenen Stoffe haben den naheliegenden Fluss des Dorfes kontaminiert. Bei dem Unfall sind drei Menschen gestorben, weitere haben sich verletzt.

Wie schnell erfahren die Medien von einer (lokalen) Krise?

Bei einer Unfallkrise mit einer Explosion kann man davon ausgehen, dass die lokalen Medien sehr schnell von dem Ereignis erfahren und vor Ort sein werden, um an der Unfallstelle Bild- sowie Videomaterial aufzunehmen, sodass sie darüber unmittelbar Bericht erstatten können.

Das betroffene Unternehmen sollte aus diesem Grund nicht allzu lange warten und ein erstes Statement innerhalb der ersten 60Minuten, empfehlenswert über die eigenen Social-Media-Kanäle, veröffentlichen.

Aber die Realität sieht anders aus: Aus Erfahrung kann uns die erfahrene Krisen-Expertin berichten, dass einige Unternehmen dazu tendieren, erstmal nichts zu sagen und „abzuwarten“. Die Folge: Die Medien füllen das Informationsvakuum. Selbst leichte bis mittelschwere Krisen können mit einer falschen Reaktionsstrategie einen nachhaltigen Reputationsschaden auslösen – insbesondere in der Pharma- und Chemiebranche, die nicht selten mit einem negativen Image behaftet ist.

Bei einer Unfallkrise sollten Unternehmen deshalb:

    • Schnell reagieren und ihre Stakeholder über Social Media informieren, empfehlenswert ist innerhalb der ersten 30 Minuten
      • Experten-Tipp: Die Twitter-Kommunikation der Feuerwehr und Polizei beobachten, denn sie gelten als sehr gutes Beispiel für Notfallkommunikation!
    • Mit dem Wort „Entschuldigung“ aufpassen
      • Experten-Tipp: An die juristische Sichtweise denken!
    • Service-Hotlines anbieten, wenn der Verdacht besteht, dass Mitarbeitende verletzt worden sind
    • Betroffenheit ausdrücken
    • Zeigen, dass der Vorfall ernst genommen wird

Standard-Kommunikation? Funktioniert nicht!

Außerdem konnten wir aus dem Webinar mitnehmen, dass sich eine Standard-Kommunikation in Krisenzeiten nicht anbietet. Die öffentliche Meinung entscheidet über das Ausmaß einer Krise. Um damit umgehen zu können, versagen die alltäglichen Kommunikationsmaßnahmen der „guten Zeiten“ in einer Krise.

Das bedeutet: Vorbereitung sowie ein präventives Krisenmanagement sind der Schlüssel für eine erfolgreiche Krisenkommunikation. Damit ist gemeint, dass Unternehmen einen Krisenstab einrichten sollten, der sich aus Expert:innen unterschiedlicher Disziplinen zusammensetzt. Der Krisenstab trifft die relevanten Entscheidungen und delegiert notwendige Maßnahmen. Die jeweiligen Aufgaben der Mitglieder sind im besten Fall vorher im Handbuch schon definiert.

Zwischenfazit: Schnell reagieren, über Social Media informieren wenn über diesen Kanal sonst auch kommuniziert wird, Betroffenheit ausdrücken und Nähe zeigen. Was ist außerdem wichtig?

One voice – one face

Ein weiterer wichtiger Punkt: Man sollte die Kommunikation strategisch angehen. Was sind meine Botschaften und welche Ziele sind damit verbunden? Wen möchte ich über was informieren?

Mit dem one voice-Phänomen ist gemeint, dass das Unternehmen eine Botschaft formuliert, die auf alle Stakeholdergruppen zutrifft und folglich konsistent an alle kommuniziert werden sollte. Ein großer Fehler wäre es, an dieser Stelle unterschiedliche Kernbotschaften weiterzugeben. Denn man sollte immer bedenken: Sobald etwas über digitale Kommunikationskanäle verbreitet worden ist, ist es öffentlich. Somit ist das one voice-Prinzip aktueller denn je.

Das one face-Prinzip gilt heutzutage allerdings nicht mehr, da jeder Stakeholder eines Unternehmens selbst von den jeweils Verantwortlichen aus dem Unternehmen adressiert wird. Sowohl die Geschäftsführer:innen, als auch die Mitarbeiterschaft, Kund:innen sowie Journalist:innen können über diverse Kommunikationskanäle als Sprecher:innen auftreten und somit über Krisenvorfälle berichten.

Perfekte Vorbereitung, perfektes Verhalten – eine Garantie?

An einem abschließenden Case griff Julia Sturmfels genau diese Frage auf. Ein Shitstorm ist schon das ein oder andere Mal unberechtigt und deshalb unerwartet entstanden. Dann direkt Gegenbeweise an die Öffentlichkeit zu kommunizieren, ist in besonders heiklen Fällen nicht zielführend und kann sogar kontraproduktiv sein. In solchen Fällen sind ein kühler Kopf und gute Ideen gefragt.

Fazit: Ein Unternehmen kann in solch einem Szenario nur sehr selten gewinnen.

Mit diesem abschließenden Case hat uns Julia Sturmfels vor Augen geführt, dass selbst die perfekte Krisenprävention und -kommunikation keine Garantie sein muss. Denn die Öffentlichkeit kann während einer Krise nicht „überzeugt“ werden. Nichtsdestotrotz ist eine strategische Krisenkommunikation die einzige Chance für Organisationen, um auf den Krisenverlauf Einfluss zu nehmen und die Meinungsbildung der Öffentlichkeit – so gut wie möglich – positiv zu beeinflussen.

Zum Schluss noch ein Blick in die Praxis

Pia Hilbrich und Marianne Reiß gaben uns abschließend spannende Einblicke in ihren Agenturalltag und sprachen mit uns über den Berufseinstieg. Wer also Lust auf vielseitige Themen und auf ein Team hat, das sich aus unterschiedlichen Bereichen zusammensetzt, ist bei Grayling genau richtig!

Wir bedanken uns ganz herzlich bei unserem Förderer Grayling Deutschland GmbH für diesen interaktiven und spannenden Lunch-and-Learn sowie bei den Teilnehmer:innen!

Geschrieben von Francesca Zarbo