Die Kommunikation für öffentliche Auftraggeber*innen stellt einen besonderen und anspruchsvollen Bereich im Leistungs-Portfolio von Agenturen dar. Hier treffen kreative Kommunikationsprofis auf strukturierte Verwaltungsfachleute, was besondere Herausforderungen mit sich bringt.Wie die Zusammenarbeit gelingt und auf was sich Kommunikator*innen einstellen müssen, konnten unsere kommoMitglieder am vergangenen Dienstag, den 24.11.20 von unserem Förderer Fink und Fuchs erfahren. Zu Gast beim ersten kommoTalk in diesem Semester waren Alexandra Groß (Vorstandsvorsitzende) und Christine Stock (Leiterin Human Resources). Die beiden brachten viel Agenturerfahrung und vor allem spannende Einblicke in die Arbeit für den Public Sector mit.
Mit Geduld und gutem Auge zur Ausschreibung
„Es ist nicht nur Glamour und Glitzer, sondern auch Kernarbeit“ mit diesen Worten leitete Alexandra Groß ihren Vortrag ein. Worin die Kernarbeit besteht, zeigt sich schon bei der Auftragsbeschaffung. Im Gegensatz zu Wirtschaftsunternehmen werden Projekte der öffentlichen Hand nicht von den Auftraggebenden selbst, sondern von einer der rund 33.000 Vergabestellen ausgeschrieben. Doch wer mit einer leicht verständlichen Aufgabenstellung rechnet, stößt hier auf die erste Hürde.
Die Ausschreibungen werden meist von fachfremden Personen verfasst und können sich auf drei- bis fünfseitige Dokumente erstrecken. Formuliert in standardisierter Behördensprache und reichlich gespickt mit Paragrafen. Um hier den passenden Auftrag zu finden, ist ein gutes Auge gefragt.
An den Auftrag, fertig, los!
Ist die erste Hürde gemeistert, beginnt die eigentliche Arbeit. Im Bewerbungsprozess müssen Interessierte den Teilnahmewettbewerb antreten, bei dem gute Ressourcen und zahlreiche Referenzen gefragt sind. Wer die Voraussetzungen erfüllt und es schafft zu überzeugen, darf mit der nächsten Phase beginnen: Der Angebots- und Konzeptentwicklung. Hier wartet eine weitere Besonderheit auf Agenturen. Die Behörden erwarten bereits zu diesem Zeitpunkt ein vollständiges Konzept und das, ohne ein Honorar dafür zu zahlen. Viel Arbeit also, die mit einem gewissen Risiko einhergeht.
Ein weiterer Unterschied besteht im Umgang mit Rückfragen. Bei Aufträgen aus der Wirtschaft ist es üblich, ein persönliches Re-Briefing durchzuführen, um Unklarheiten aus dem Weg zu räumen. Im Vergabeprozess gibt es diese Möglichkeit nicht. Stattdessen können die Bewerber*innen schriftliche „Bieterfragen“ stellen. Diese werden jedoch oftmals mit Verweisen auf die ursprüngliche Ausschreibung beantwortet, wodurch individuelle Fragen nicht immer geklärt werden.
Zuletzt muss auch beim Angebot genau hingeschaut werden, denn nachdem eine Preisliste eingereicht wurde, kann nicht mehr verhandelt werden. Auch nicht, wenn während des Projektes unvorhergesehene Mehrkosten entstehen.
Die richtige Entscheidung treffen
Spätestens an dieser Stelle wird klar, dass Agenturen es sich gut überlegen müssen, ob sie an dem Prozess teilnehmen möchten. Aus vielen Jahren Erfahrung haben Fink und Fuchsdeshalb zentrale Punkte definiert, die eine Entscheidung erleichtern.
Das wichtigste sind dabei die Eckdaten. Hier sollte genau geprüft werden, wie groß ein Projekt wirklich ist und wo eventuell noch Aufgaben entstehen können. Auch der Antwortprozess sollte bei der Entscheidungsfindung kritisch betrachtet werden. Eine lückenhafte und schwergängige Kommunikation beschreibt Alexandra Groß dabei als zentrales Ausschlusskriterium.
Wie bei jedem Geschäft spielen aber auch eine klassische Aufwand-Nutzen-Rechnung sowie die Stimmungslage im Team eine wesentliche Rolle. Nur wenn alle hinter dem Projekt stehen und motiviert bei der Sache sind, lohnt es sich, den Wettbewerb anzutreten.
„Sprache ist die Quelle aller Missverständnisse“
Wer sich im Wettbewerb durchsetzen konnte, erhält den Auftrag und kann endlich richtig loslegen. Doch wie so oft im Leben gilt auch hier das berühmte Zitat aus Der kleine Prinz: „Sprache ist die Quelle aller Missverständnisse.“ Eine zentrale Herausforderung bei der Zusammenarbeit mit der öffentlichen Hand besteht nämlich in der Kommunikation.
Bei den Auftraggebenden handelt es sich oft um Wirtschaftsfachleute oder auch Jurist*innen, die selten wissen, wie Agenturen arbeiten und einfach gesagt: eine andere Sprache sprechen. Daher ist es wichtig, sich direkt zu Beginn mit den Ansprechpersonen zusammenzusetzen und im Detail zu klären, welche Leistungen sie erwarten. Dabei sollten auch einzelne Begriffe klar miteinander abgestimmt werden, um Missverständnisse vorzubeugen. Für eine erfolgreiche Zusammenarbeit sollten sich beide Seiten annähern, um kreative Praktiken und kaufmännische Standards miteinander zu vereinen.
Warum es sich zu Kämpfen lohnt
Am Ende des Vortrages steht vielen kommos eine Frage ins Gesicht geschrieben: Lohnt sich dieser Aufwand überhaupt? Dafür hat Alexandra Groß gleich mehrere Gründe parat. Die Arbeit für den Public Sector ist trotz aller Hindernisse sehr attraktiv. In den Projekten werden wichtige Themen behandelt, die nicht nur Aufmerksamkeit verdienen, sondern vor allem viele Menschen berühren.
Außerdem ermöglichen es die Aufträge, in sehr spezielle Bereiche einzutauchen, mit denen Kommunikator*innen selbst in ihrem kreativen Beruf sonst nicht in Berührung kommen würden. So entstehen einmalige Erfahrungen. Zum Beispiel, wenn man mit dem Technischen Hilfswerk in tiefen Wäldern sein Zelt aufschlägt oder mit Kommissar*innen im BKA ein- und ausgeht.
Zu guter Letzt sind Aufträge der öffentlichen Hand auch lukrativ und öffnen viele Türen für neue Projekte. Trotz aller Herausforderungen lohnt es sich also, den eigenen Horizont zu erweitern und sich auf die verschiedensten Themen einzulassen. Wir bedanken uns bei Fink und Fuchs für die vielen Learnings und die ehrlichen Einblicke in dieses besondere Feld der Kommunikation.
Geschrieben von Lisa Speelmann