Medientraining: Über den Mut, Fehler zu machen

Bereits zum zweiten Mal führte Hill+Knowlton Strategies für kommoguntia ein Interviewtraining durch. Im Blogartikel aus dem letzten Jahr erfahrt ihr mehr über die theoretischen Hintergründe, die ein erfolgreiches Interview ausmachen. Anders als beim letzten Mal, ist dieser Blogbeitrag ein persönlicher Erfahrungsbericht und beschreibt das Erlebnis aus der Perspektive eines Teilnehmers.

Alles begann vor mehreren Wochen auf der Arbeit. Im Gespräch mit einer Kollegin über Medientrainings, richtete sie den Appell an mich: „Juri, wenn du mal die Chance hast, ein Interviewtraining zu machen, musst du das auf jeden Fall tun!“ Die Möglichkeit dazu ergab sich dann schneller als gedacht und so war ich voller Vorfreude auf den 31. Januar und den anstehenden Workshop mit der internationalen Netzwerkagentur Hill+Knowlton Strategies.

Wie gibt man gute Interviews?

Die Referenten des Workshops waren Udo Becker und Max Engel aus dem Frankfurter Büro von Hill+Knowlton. Nach einer Vorstellungsrunde erfuhren wir mehr über die Arbeitsweise einer PR-Berater*in. Weiter ging es mit Input rund um Medientrainings, die unsere beiden Referenten regelmäßig für Wirtschafts-Akteure durchführen. In Erinnerung bleibt mir dabei der Merksatz: „Der Kern des Ganzen muss sofort da sein“. Wenn aus einem TV-Interview mit sechs Fragen am Ende 20 Sekunden Videobeitrag in den Nachrichten erscheinen, muss die Botschaft in jeder Antwort gleichermaßen gesetzt sein. Dabei hilft das PEP-Prinzip: Point, Evidence, Perspective. Zum Einstieg den stärksten Punkt erwähnen, anschließend mit Belegen untermauern und zum Abschluss einen Ausblick geben, was zu erwarten ist.

Und jetzt die Umsetzung

Aber alle Theorie hilft wenig, wenn man sich dahinter versteckt. Deswegen stand als nächstes die praktische Übung auf der Agenda: ein TV-Interview zu kommoguntia, ohne vorher die genauen Fragen zu kennen. Caro und ich erklärten uns bereit, sprichwörtlich ins kalte Wasser zu springen. Udo und Max bauten vor dem Raum ihr Kamera- und Mikrofon-Setup auf, der Puls stieg etwas an und dann hieß es „Aufnahme läuft“. In dem Moment konzentriert man sich plötzlich auf jede Körperregung, jede kleine Gestik und Mimik. Schon bei der Aufnahme hatte ich das Gefühl, die Fragen bewusst „abzunicken“. Die PEP-Technik setzte ich, wenn auch unterbewusst, um. Inhaltlich konnte ich dennoch einigermaßen brauchbare Antworten liefern, auch wenn ich mich teilweise wiederholte. An einer Stelle verhaspelte ich mich mit den Jahreszahlen: „Zweitausendeinundzwaging, Zweitausendzweizwei“. Doch vorher hatten wir genau über diese Situation gesprochen: Ruhe bewahren, die Antwort abbrechen, den Journalisten bitten, die Frage zu wiederholen und neu ansetzen. Das war mir vor dem Workshop nicht bewusst. Ich hatte vermutet, dass geübte Pressesprecher mit all ihrer Routine und Erfahrung die Antworten wie aus der Pistole schießen lassen, keine Fehler machen und auf den Punkt abliefern. Doch es ist ganz natürlich sich zu verhaspeln und so lange man sich nicht in einer Live-Schalte befindet, sind sowohl Journalist als auch Sprecher froh, eine klar formulierte Antwort zu haben. Das gemeinsame Interesse an einem verständlichen Beitrag ist in der Regel größer als die Lust an der Bloßstellung eines „Kollegen“.

Was kann man ich besser machen?

Im Anschluss schauten wir uns die Aufnahmen gemeinsam an und analysierten bis ins kleinste Detail, was Caro und ich gut und schlecht gemacht haben. Wie durch ein Brennglas bewerteten wir unsere Antworten, „Ähms“, mein Abnicken oder unsere Augenbewegungen. Doch auch hier merkte Udo Becker an, dass der normale Zuschauer niemals so genau hinschaut – Second-Screen sei Dank. Trotzdem finde ich es unglaublich hilfreich, diese Situation zu trainieren und vor allem im Anschluss zu überprüfen, was man besser machen kann. Ein weiterer Merksatz ist mir ebenfalls im Gedächtnis geblieben: „Das ist mein Interview“. Als guter Pressesprecher darf man sich nicht von kniffligen Journalistenfragen oder Ablenkungen in der Umgebung aus der Ruhe bringen lassen. Es ist wichtig die Kontrolle zu behalten, auch wenn der Journalist nach unten auf seine Zettel schaut – der eigene Blick bleibt fokussiert und folgt nicht auf die Notizen. Dass so etwas unter Druck viel schwieriger ist, bemerkten wir in der zweiten Praxiseinheit.

Das zweite Interview

Ein fiktives Krisenszenario bei kommoguntia ist aufgetreten: Ein kommogunita-Mitglied ist ebenfalls Mitglied bei der Jungen Alternative und wird vom AStA beschuldigt ein „Nazi“ zu sein. Er lebt in einer einschlägigen Studentenverbindung. Ein lokaler Fernsehsender hat bei uns angefragt und möchte ein Interview mit einem Vertreter drehen. Arthur und ich erklärten uns bereit, die Herausforderung anzunehmen. Zum Einstieg in das Interview gab es zwei Optionen: Entweder man liest zunächst ein Statement vor oder man beginnt direkt mit den Interviewfragen. Arthur machte den Anfang und stieg direkt ein. Ich hatte während seines Interviews Zeit, mir ein kurzes Statement zu überlegen, das ich verlesen würde. Als ich rauskam und auf unsere beiden Referenten zuging, erwähnte ich direkt, wie der Ablauf sein sollte – wir erinnern uns: „Das ist mein Interview“. Man muss in Aktion bleiben, das Umfeld darüber aufklären, was man sich vorgestellt hat, denn nur dann behält man die Kontrolle – besonders in Krisensituationen.

Die Fragen in der zweiten Runde waren strenger, ernster und forderten präzise Antworten. Das war gar nicht so leicht. Ich wurde an zwei Stellen ungenau, merkte schon beim Sprechen, dass die Antwort besser hätte sein müssen. Etwas das in der Nachbetrachtung auch direkt an meiner Körpersprache abzulesen war. Man musste bei der Frage schon überlegen: Was kann und will ich dazu sagen? Bin ich überhaupt die richtige Person, um diese Frage zu beantworten oder sollte ich den Journalisten an eine andere Stelle verweisen? Der Kopf ratterte, doch der Körper sollte „der Fels in der Brandung“ sein, wie unsere Referenten anschließend empfahlen. Nach gut drei Stunden mit Theorie, zwei praktischen Übungen und anschließender Nachbesprechung ging der Workshop zu Ende. Mir ist es nicht so lang vorgekommen. Für mich war es kurzweilig, lehrreich und unglaublich interessant, sich auszuprobieren.

Mein Fazit

Während ich auf meinen Zug nach Darmstadt am Mainzer Hauptbahnhof wartete, überlegte ich, was ich heute gelernt und mitgenommen hatte. Als allererstes kam mir in den Sinn, dass nur die praktische Übung uns besser macht und nicht die Vorstellung. Schon häufig habe ich mir ausgemalt, wie es ist, eine Pressekonferenz zu leiten oder vor einem ZDF-Mikro zu stehen. Selbstsicher, inhaltsstark und präzise stehe ich dann in meiner Vorstellung vor den Journalisten Antwort. Doch bis dahin ist es ein langer Weg, der mit viel Übung verbunden ist. Aber mir hat es unglaublich viel Spaß gemacht, es in einer sicheren Umgebung auszuprobieren. Es bedarf Mut, sich vor eine Kamera zu stellen, beim Antworten zu improvisieren und anschließend „zerrissen“ (meine eigenen Worte) zu werden. Doch wir sollten Mut haben, uns trauen, Fehler zu machen, Antworten erneut zu geben, mit denen wir beim ersten Versuch unglücklich sind und auf Augenhöhe „unsere Interviews“ zu führen. Ich bin mir sicher, dass es nicht mein letztes Medientraining gewesen sein wird. Meiner Kollegin werde ich auf jeden Fall davon berichten.

Geschrieben von Juri Loose